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Interview mit Timur Vermes

vermesHerr Vermes wie verlief Ihre Schulzeit und wie fanden Sie Ihren Deutschunterricht?

Der Deutschunterricht hat mich während meiner Schulzeit eher weniger interessiert, das lag aber vor allem an den Themen, die man dort bearbeitet hat. Ist auch kein Wunder: Um mich zu interessieren, hätte man in Deutsch den 1. FCN und die Hardrockbands der 80er behandeln müssen. Ich habe aber dennoch Deutsch als Leistungskurs gewählt und letztendlich eine Reportage als Facharbeit geschrieben. In der Schule hat keiner gesagt, ich hätte großes Talent zum Schreiben. Ich stach wohl auch nicht mit sehr guten Aufsätzen heraus, wie man vielleicht erwarten könnte. Insgesamt verlief die Schulzeit ganz gut, ich habe schließlich mein Abitur mit einem Notendurchschnitt von 3,3 bestanden.

Wie kam es dann letztendlich dazu, dass Sie Autor geworden sind?

Vor der Verwirklichung meines Wunsches, wurde ich zunächst Journalist. Ich habe als Praktikant für eine Boulevard-Zeitung geschrieben, und so wuchs mein Interesse für das Schreiben. Man fängt halt klein an, schreibt zuerst kleine Meldungen, dann größere Artikel, dann richtige Reportagen. Das war ein extremer Ansporn, wenn man die Zeitung aufschlug und seinen eigenen Namen dort über einem Artikel fand. Schade war, dass nicht viele die Zeitung kannten. Nach und nach habe ich entdeckt, was ich wirklich will. Ich habe mir Vorbilder gesucht, die mir meine Ziele vor Augen brachten, und habe mich letztendlich an diesen orientiert. Man versucht immer neue Reize zu setzen, versucht, unterschiedlich zu erzählen. Ich wurde Journalist, und 2009 arbeitsloser Journalist. Da habe ich mich dann an einem Roman versucht und wie es scheint, hat es funktioniert.

Wie zeitaufwändig ist es für Sie, ein Buch zu schreiben?

„Er ist wieder da“ brauchte knapp ein Jahr, „Die Hungrigen und die Satten“ etwa zwei. Ich mache mir aber keinen Druck, also sage ich nicht: Du musst unbedingt jeden Tag acht Seiten schreiben. Obendrein hasse ich es Texte, zu oft zu verbessern, ich bin eben nicht der Typ, der dann eine lange Zeit über drei Seiten sitzt und sie immer wieder durchliest, um sie zwingend zu optimieren. Wenn man weiß, was die Zutaten sind, geht alles eigentlich recht schnell. Also wenn man eine Idee hat und ungefähr weiß, wohin man möchte, merkt man letztendlich nicht, wie schnell sich die Seiten füllen.

Sie haben bis jetzt zwei Bücher herausgebracht und beide sind im satirischen Stil geschrieben. War es für Sie schwer, in diesem Stil zu schreiben?

Nein, gar nicht. Der satirische Stil fiel mir sehr leicht, da das auch schon als Journalist mein Stil des Schreibens war. Das ist einfach mein Humor. Anfangs wusste ich nicht ob es den Lesern gefällt und ob sie es verstehen, aber anscheinend habe ich einen Humor, der anschlussfähig ist. Bevor ich mein erstes Buch „Er ist wieder da“ schrieb, las ich das Buch „Mein Kampf“ (von Adolf Hitler, Anmerkung der Redaktion). Der Schreibstil hat mich inspiriert, er war so seltsam, dass ich ihn sofort parodieren wollte. Das fand ich selber lustig, was extrem wichtig war: Beim ersten Roman weiß man ja nicht, ob man für die ganze Arbeit jemals Geld bekommt. Und wenn nicht, dann hätte ich so wenigstens selber Spaß dabei gehabt

Ich habe selbst Ihr neustes Buch „Die Hungrigen und die Satten“ gelesen und frage mich, was Sie dazu inspiriert hat, dieses Buch zu schreiben. Haben Sie selbst persönliche Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht?

Indirekt. Meine Frau hat ehrenamtlich in einem Flüchtlingsheim gearbeitet und Kinder betreut. Über sie habe ich dann schließlich selbst meine Erfahrungen gesammelt. Viele Szenen aus dem Buch, in denen Kinder vorkommen, beruhen auf den Ereignissen im Flüchtlingsheim. Ein Beispiel dafür wäre die Szene, in der ein Kind komplett schwarze Zähne im Mund hat. Alles kam aus erster Hand und vieles, was meine Frau erzählt hat, habe ich in mein neues Buch übertragen.

Da Sie in beiden Ihrer Bücher politische Themen behandeln, würden wir gerne wissen, in welcher Weise Sie die AfD, hauptsächlich in Bezug auf die Thematik ihrer Bücher, heute als Bedrohung sehen?

Die AfD bietet sich natürlich gerade eindeutig gezielt an. Sie radikalisiert sich gerade in einem erstaunlichen Maß. Deren Politiker behaupten natürlich gerne, sie würden die Flüchtlingsproblematik lösen, ähnlich wie Salvini in Italien. Aber die sind ja nicht bekloppt, weil diese Flüchtlingsproblematik das Ding ist, das ihren Laden am Laufen hält. Im Endeffekt heißt das also, dass diese Leute dieses Modell garantiert nicht reparieren, sondern sie werden immer für ihren eigenen Vorteil versuchen einen Nutzen daraus ziehen. Und obwohl es Deutschland gut geht und obwohl die Flüchtlingsfrage nicht mehr so auffällig ist, sieht man trotzdem einen großes Interesse an dieser Partei. Viele von deren Fans sagen ja: Ich bin doch kein Nazi. Aber Nazis brauchen keine anderen Nazis: Die brauchen nur jemanden, der sie an die Macht bringt.

Nun zum Schluss noch die Frage, wie Ihre schriftstellerische Zukunft aussieht und ob es vielleicht sogar noch zu einer Verfilmung Ihres zweiten Buches kommt?

Leider ist es so, dass das die Verfilmung des zweiten Buches sehr teuer wäre. Dies ergibt sich aus den allgemeinen Umständen in dem Roman. Man bräuchte viele Darsteller und viele verschiedene Filmkulissen und das alles ist ein enormer Aufwand. Also wird es wahrscheinlich so sein, dass es keine zweite Verfilmung zu diesem Buch geben wird.

 

Das Interview mit Timur Vermes führten die Schülerinnen des P-Seminars Deutsch am 07.02.2020 anlässlich der Lesung des Autors am 07.02.2020 .

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